redebeitrag

 

auf der Leipziger Friedensdemonstration am 17.02.2003

Liebe Freundinnen und Freunde,

warum sind wir hier?
Dass wir nicht tatenlos zusehen können, wenn Tausende und Abertausende Menschen ermordet werden; dass wir die Lügen der Kriegstreiber nicht mehr ertragen können, von denen sie wissen, dass es Lügen sind, von denen wir wissen, dass es Lügen sind und von denen sie wissen, dass wir wissen, dass es nichts als Lügen sind; dass wir es nicht mehr ertragen können, auf diese Weise für dumm verkauft zu werden; all das ist an dieser Stelle schon gesagt worden.
Was ich meine ist: Was versprechen wir uns davon, hier zu sein?

Vor zwei Tagen wussten Millionen Menschen auf der ganzen Welt, warum sie auf der Straße waren. Sie wussten es, weil mit ihnen Millionen auf allen Kontinenten laut und deutlich gesagt haben: "Nein zu diesem Krieg!"; so laut und so deutlich, dass sie einander hören konnten über Länder und Meere hinweg. Am 15. Februar ist etwas geschehen, das es so nie zuvor gegeben hat: noch nie haben so viele Menschen auf der ganzen Welt zur gleichen Zeit für das gleiche Ziel demonstriert. Dieser Tag hat vielen Mut und Zuversicht gegeben, er hat gezeigt, dass es eine wirkliche Chance gibt, diesen Krieg zu verhindern, dass es eine Kraft gibt, die der Arroganz der Macht und der Gier nach Profit zu widerstehen vermag.

Aber: hätte es diesen 15. Februar gegeben, wenn es nicht vorher so wie in Leipzig in vielen Städten Demonstrationen und Aktionen gegeben hätte? Wer hätte sich zu diesem kraftvollen Bekenntnis vereint, wenn nicht die Menschen, die schon auf der Straße waren, zu denen Hunderttausende hinzukamen? Was ich meine ist: Wenn wir in Leipzig in unseren Köpfen und in unserem Handeln Teil dieser weltweiten Bewegung sind, dann hat es einen Sinn, dass wir hier sind. Dann tragen wir unseren Teil dazu bei, diesen Krieg zu verhindern.

Lasst mich noch einen Gedanken anfügen. Viele Menschen erleben den jetzigen Zustand der Welt als den eines entfesselten Kapitalismus und viele erleben ihn auch als einen Zustand des Krieges. Denn der Krieg, den zu verhindern wir hier sind, ist nur einer in einer kaum mehr zu zählenden Reihe von Kriegen.
Angesichts dessen muss die Frage nach den Ursachen des Krieges gestellt werden. Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem entfesselten Kapitalismus und den Kriegen in vielen Teilen der Erde muss erlaubt sein. Wenn wir den Mut haben, von einer friedlichen Welt zu träumen, dann sollten wir nicht aufhören zu fragen: Wem nützt dieser Krieg, wer profitiert davon? Dann sollten wir Nein sagen nicht nur zu diesem Krieg, sondern Nein zu einer Welt, in der Profit über Menschen geht und oft auch über ihre Leichen.

 

material